Thema:
4 Tage Woche im Handwerk – der Praxisratgeber
Kategorie:
Mitarbeitergewinnung
4 Tage Woche im Handwerksbetrieb. Der große Praxis-Ratgeber:
Ich habe schon vor zehn Jahren die Einführung einer 4-Tage-Woche im Handwerksbetrieb begleitet. Heute haben wir locker ein dutzend Kunden, die mit der 4 Tage Woche arbeiten oder sie zumindest anbieten.
Zeit, einen Blick in die Praxis zu werfen! In unserem Ratgeber zeigen wir, wie die 4 Tage Woche im Handwerk gelingt.
Im handwerkmagazin, ddh und im Buch 4-Tage-Woche von Martin Gaedt habe ich bereits über das Thema geschrieben. Nun möchte ich Ihnen und Euch meine Praxiserfahrungen mitteilen:
Inhaltsverzeichnis
Warum überhaupt anbieten?
Gehen wir direkt mal ans Eingemachte: Es gibt die Handwerksbetriebe, die Lust haben, die 4 Tage Woche einzuführen. Und es gibt die, die eigentlich nicht wollen, sich aber genötigt fühlen.
Auf der Positivseite kann man ganz klar festhalten, dass die 4-Tage-Woche zu vielen positiven Effekten führt:
- sie ist ein Argument für einen attraktiven Arbeitgeber (ergo hilft sie neue Mitarbeiter zu finden)
- mehrere Studien belegen, dass die 4-Tage-Woche zu geringeren Krankentagen, höherer Zufriedenheit und besseren Leistungen führt. In England haben beispielsweise 2.900 Beschäftigte ein halbes Jahr an einer solchen Studie teilgenommen (u.a. der Spiegel berichtete). Das Ergebnis: ALLE Unternehmen, die teilgenommen haben, werden die 4-Tage-Woche weiterhin anbieten!
Letztlich sieht unsere Realität als Unternehmende doch so aus:
Wir haben gar keine Wahl. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlangen flexible Arbeitszeiten. Nehmen wir an, dass Sie sich gegen das Angebot einer 4 Tage Woche entscheiden. Was werden dann Ihre bestehenden Mitarbeiter machen, die gerne in so einem Arbeitszeitmodell arbeiten würden? Die werden sich natürlich umsehen – und finden von Tag zu Tag mehr Handwerksbetriebe, die ihren Wunsch erfüllen würden.
Eben das ist das Dilemma für viele Handwerksunternehmer. Wir haben keine Wahl!
Wenn wir uns dem Thema nicht öffnen, werden wir auf Dauer nicht nur in der Mitarbeitergewinnung, sondern auch in der Mitarbeiterbindung echte Schwierigkeiten bekommen.
Achtung! Nicht jeder will die 4 Tage Woche
Bei den Diskussionen um flexible Arbeitszeiten und Work-Life-Balance wird eines oft vergessen: Gerade im Handwerk wollen viele Mitarbeiter keine 4 Tage Woche!
Wir haben die Einführung eines solchen Modells in vielen Handwerksbetrieben begleitet und wissen daher:
Die Zustimmung zur 4 Tage Woche ist von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich! Zwischen 90% Zustimmung und 90% Ablehnung haben wir schon alles erlebt. Wie bei jedem Modell flexibler Arbeitszeiten sollte daher frühzeitig mit dem Team über Möglichkeiten, Wünsche, Vorteile und Nachteile gesprochen werden.
Muss ich Arbeitsstunden reduzieren?
Ein Thema über das emotional gestritten wird, ist die Frage ob mit der 4 Tage Woche auch gleichzeitig eine Reduzierung der Stunden einhergehen muss.
Aus der Praxis kann ich berichten, dass dies von Handwerkern vielfältig gehandhabt wird. Es gibt Betriebe, die von 38h auf 34h reduzieren – bei vollem Lohnausgleich. Es gibt Handwerksbetriebe, die die 40 Stunden Woche aufrecht erhalten – und diese dann in 4 Tagen abarbeiten.
Zwei Gedanken dazu:
- Müssen, muss man gar nichts! Es liegt bei Ihnen wie Sie das Thema handhaben. Besprechen Sie es aber auf jeden Fall frühzeitig mit Ihrem Team.
- Entgegen der medialen Berichterstattung gibt es nicht nur die Worl-Life-Balance orientierte Generation XYZ, es gibt auch weiterhin Menschen, die lieber mehr Arbeiten – weil sie mehr Geld verdienen wollen. Auch und gerade für diese leistungsorientierten Menschen brauchen wir einen Anreiz!
Wird die 4 Tage Woche Pflicht?
Zum Beispiel in Belgien gibt es bereits eine gesetzliche Pflicht Arbeitnehmern die 4 Tage Woche zu ermöglichen, wie die WELT berichtete.
Ob sie auch in Deutschland und im Handwerk zur Pflicht wird sei dahingestellt. Ich gehe jedoch davon aus, dass sie zur Normalität wird. Egal ob man das nun gut findet oder nicht bzw. welche gesamtwirtschaftlichen Folgen damit auch verbunden sind. Aber schauen Sie mal nur wenige Jahrzehnte zurück: Da war es ganz normal Samstags zu arbeiten. Irgendwann setzten sich dann die 5 Tage. Heute geht der Trend zu vier Tagen – und wird sich irgendwann vermutlich als Standard etablieren.
Wie oben schon erwähnt bleibt uns Unternehmern ohnehin nicht viel Spielraum: Wenn irgendwann zwei von drei Handwerksbetrieben die 4 Tage Woche anbieten: Was glauben Sie wie Ihre Chancen im Wettbewerb um Fachkräfte sind, wenn Sie zu denen gehören, die sie nicht im Programm haben?
Gut für den Bau: Das Sommer-/Wintermodell
Einige Bauunternehmen und Handwerksbetriebe machen die 4 Tage Woche nur im Sommer. Klar: Da ist es länger hell und Mehrstunden können leichter abgearbeitet werden. Dieses Modell eignet sich vor allem, wenn Sie planen bei der 4 Tage Woche die Wochenarbeitszeit nicht zu reduzieren.
Unsere Erfahrungen zeigen übrigens, dass dadurch die Produktivität im Handwerksbetrieb meist steigt! Dies liegt darin begründet, dass der sonst meist nur angebrochene Freitag entfällt, der die gleichen Rüstzeiten hat wie jeder andere Tag.
Umsetzung im Handwerksbetrieb
Viele Wege führen zur 4 Tage Woche. Doch ein paar Faktoren darf jeder Handwerksbetrieb beherzigen, der die 4 Tage Woche einführen will:
- Miteinander reden. Eine Umstellung der Arbeitszeit bringt für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter erhebliche Änderungen mit sich. Das oberste Gebot zur erfolgreichen Einführung der 4 Tage Woche im Handwerk lautet daher: Reden Sie früh mit Ihrem Team! Tauschen Sie sich aus. Nehmen Sie Ängste und Sorgen wahr.
- Flexibilität geht vor 4 Tage! Das bedeutet, dass es vielen Mitarbeiterinnen gar nicht um die 4 Tage Woche an sich geht. Viele wünschen sich einfach nur eine gewisse Flexibilität. Fragen Sie in Ihrem Team nach und hören Sie gut zu, welche Wünsche wirklich vorliegen.
- Azubis in der 4 Tage Woche? Auch das Thema muss geklärt werden. Denn als Ausbildungsbetrieb können Sie junge Menschen nicht einfach so in ein solches Modell übernehmen. Lösungen gibt es dennoch, aber hier ist Flexibilität gefragt.
- Testen statt festschreiben. Wie wäre es mit einer „Probezeit“? Viele unserer Kunden testen das Modell erstmal sechs- oder zwölf Monate und entscheiden dann gemeinsam mit dem Team wie weiter gemacht wird. Das gibt allen – auch Ihnen – Sicherheit.
- Vorbild sein. Wer eine 4 Tage Woche anbietet, aber als Chef trotzdem seine Mitarbeiter Freitags anruft und mit Mails bombardiert, der sorgt für psychischen Druck. Denn man hat nicht das Gefühl, dass man frei haben darf. Den Fehler mache ich übrigens auch sehr oft. 😉 Also: Vorbild sein und seine Mitarbeiter konsequent Wochenende machen lassen.
Praxisberichte: Rathje Dachdeckerei, e-koris Elektriker & 4 Tage Woche am Bau
Unser Kunde, die Dachdeckerei & Zimmerei Rathje führte die 4 Tage Woche bereits vor einigen Jahren sehr erfolgreich ein. Selbst das handwerkmagazin berichtete über die Erfolge von Sascha Rathje.
Unser Kunde e-koris ging sogar einen Schritt weiter: Für das flexible Arbeitszeitmodell des Elektrikers wurde der Innovationspreis Vereinbarkeit durch das Familienministerium vergeben.
Doch neben den vielen, erfolgreichen Handwerksbetrieben mit 4 Tage Woche gibt es auch solche, bei denen das Projekt scheiterte. Diese Betriebe gehen oft wieder ins ursprüngliche Modell zurück – weil Mitarbeiter es so fordern!
Erfahrungsgemäß liegt der Fehler hier oft in mangelnder Kommunikation und Begleitung bei der Einführung. Zudem stellen wir fest, dass Mitarbeitende oft unterschätzen, welche Belastungen durch die 4 Tage Woche auftreten können (wenn der Betrieb gewählt hat, nicht gleichzeitig die Arbeitsstunden zu senken).
Literatur zur 4 Tage Woche
Im handwerkmagazin, auf handwerk.com – zahlreiche Plattformen schreiben über die 4 Tage Woche. Ein Blick lohnt sich, da viele Artikel praktische Beispiele enthalten.
Auf handwerk.com z.B. berichtet ein Handwerker darüber, dass sein 35-Köpfe Team die 4 Tage Woche nicht wollte.
In seinem Buch „4 Tage Woche“ zeigt Martin Gaedt sogar 151(!) Unternehmen auf, die das Thema umgesetzt haben. Er zeigt spannende Einblicke direkt aus der Praxis. Lohnenswert für jeden, der sich mit dem Thema näher beschäftigen möchte.
Auch ich durfte mitmachen: Mit meinem Bauunternehmen Concept Reitplatzbau wurden wir in einem eigenen Kapitel erwähnt und über unser flexibles Arbeitszeitmodell berichtet.
Natürlich berichte ich auch in meinem Buch über Mitarbeitergewinnung über die 4 Tage Woche. Allerdings nur im Kontext flexibler Arbeitszeitmodelle.
Ein neuer Blick auf die Mitarbeitergewinnung
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Wer mehr über unsere Philosophie in der Mitarbeitergewinnung erfahren möchte, der sollte „Irgendwen anstellen war gestern“ lesen. Daniel zeigt auf, was unpassende Mitarbeiter anrichten können und wie man die richtigen Mitarbeiter findet.
Über den Autor
Daniel Dirkes ist deutschlandweit anerkannter Handwerk-Experte. Er hat ein Buch, sowie über 70 Fachartikel veröffentlicht und Vorträge vor tausenden von Handwerksbetrieben gehalten.
Er ist Geschäftsführer der Auf Kurs GmbH und hat seit 2005 über 200 Handwerksbetrieben in Fragen der Strategie, Marketing und Mitarbeitergewinnung beraten.
Zudem führt er mit der Concept Reitplatzbau GmbH & Co. KG selbst ein Bauunternehmen.