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Lieber den Stuhl unbesetzt lassen! Mitarbeitersuche ohne Druck.

Warum es besser ist, gar keinen, statt den falschen Mitarbeiter anzustellen, das erfahrt ihr im heutigen Beitrag. Lest, welche Risiken Ihr Euren Betrieb aussetzt, wenn Ihr den/die Falsche anstellt und wie Ihr den Druck aus Eurer Mitarbeitersuche herausnehmen könnt.

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Überblick

Intro: Der Azubi, der es nicht kann

„Das wird wohl nichts, aber wir hatten keinen anderen Azubi“

Vor ein paar Monaten habe ich mit einem Kunden aus der Metallbranche mit rund 30 Mitarbeitenden telefoniert. Ich habe dann gefragt: „Und wie sieht es aus, hat die Azubisuche funktioniert?“ Der Chef antwortete: „Ja, wir waren ja doch ein bisschen spät dran. Aber ja, wir haben jetzt einen angestellt, aber ich denke mal das wird nichts.“

„Wie? Das wird nichts?“

„Nun ja, der machte fachlich nicht den besten Eindruck. Ich weiß nicht, ob er das wirklich hinkriegt, aber es nützt ja nichts, wir haben keinen anderen gefunden, den müssen wir anstellen.“, antwortete unser Kunde.

Genau das will ich heute zum Thema machen. Denn diese und ähnliche Geschichten, erlebe ich oft im Handwerk und kleineren Unternehmen.

Man stellt einfach irgendwen an, nur weil gerade kein anderer oder keine andere da war.

Das ist nicht nur riskant, das ist wirklich gefährlich für Euren Betrieb!

Wenn Ihr in der Mitarbeitergewinnung den/die Nächstbeste anstellt, dann könnt Ihr vielleicht kurzfristig ein Problem lösen. Kurzfristig habt ihr den Ausbildungsplatz vergeben, kurzfristig könnt ihr die Aufträge, die ihr habt, besser abwickeln.

Aber mittel- und langfristig führt das zu teils großen Problemen für euren Betrieb.

Dazu möchte ich die Hintergründe etwas beleuchten:

Was in Eurem Betrieb passiert, wenn Ihr die Falschen anstellt

Als erstes stellt Euch die Frage: Wie wirkt der neue Mitarbeiter auf die Mitarbeiter, die ihr jetzt im Team habt? Wie reagieren die, wenn jemand Neues dazukommt?

Im Handwerk und in kleinen Betrieben kennt man sich. Man arbeitet mit den Kollegen oft schon lange zusammen. Gerade im Handwerk ist die Zusammenarbeit recht eng. Dadurch ist jede Neuanstellung immer auch etwas Besonderes.

Leider meist im Negativen, denn „Neues“ ist für uns menschliche Gewohnheitstiere erstmal was schlechtes:

Spricht: Für euer bestehendes Team ist jede Neuanstellung purer Stress!

 

Neuanstellungen verursachen immer Stress im Team

Für das bestehende Team heißt Eure Mitarbeitergewinnung sich mit Fragen, Ängsten und Sorgen auseinanderzusetzen:

  • Wie komme ich mit dem Neuen oder mit der Neuen klar?
  • Wie ist eigentlich meine Rolle im Unternehmen?
  • Nimmt er mir vielleicht Arbeit weg?
  • Oder nimmt er mir meine Position weg?
  • Ist sie wohl besser oder schlechter als ich?

All diese Fragen laufen im Kopf Eurer Mitarbeirerinnen ab. Das ist zum großen Teil ein unbewusster Prozess.

Wir als Unternehmer müssen Wissen, dass diese Prozesse ablaufen.

Der Stressfaktor „neuer Kollege“ kann bei jedem Charaktertypus unterschiedliche Auswirkungen haben. Da gibt es die Typen, die ablehnend reagieren auf neue Leute. Die Neuen erstmal die kalte Schulter zeigen oder schlimmstenfalls die Neuen sogar komplett auflaufen lassen. Das sind oftmals Menschen, die in sich unsicher sind. Sie haben Angst um ihre Stellung.

Dann gibt es Charaktertypen, die sofort offen sind. Die auf neue Menschen zugehen. Dieser Typus ist mit sich im Reinen. Sie wissen um ihren Wert im Unternehmen. Mit denen ist es immer einfach.

Das große Feld dazwischen wollen wir an dieser Stelle nicht weiter behandeln und zurück zu unserem Thema der Mitarbeitergewinnung kommen:

 

Einen Fehlgriff verzeiht man Euch, bei Dreien wird es schwieriger

Der Stress des „neuen Kollegen“ hält für viele Eurer Mitarbeitenden über Wochen an. Wochen, in denen sich einige Sorgen machen, Machtkämpfe und Positionsgerangel stattfinden.

Zwischendurch ist das durchaus gut und belebend für jedes Team. Das ist wie im Sport: Neue in der Mannschaft sorgen dafür, dass die Altgedienten sich nochmal extra anstrengen. So beobachte ich das auch in vielen Handwerksbetrieben: Kurzfristig kann sogar eine Leistungssteigerung erzielt werden, wenn neue Mitarbeiter gewonnen werden.

Wenn Ihr jedoch den/die Falsche angestellt habt, dann werdet Ihr vermutlich in 3 oder 6 Monaten wieder nach neuen Mitarbeitern suchen. Dann geht der Stress für Euer Team von vorne los. Macht Ihr das einmal, verzeihen Euch Eure Leute das. Beim zweiten Mal sind die ersten genervt. Beim dritten und vierten Mal lebt Euer Team bereits in einer Umgebung des Dauerstresses. Die ersten Kündigungen kommen dann näher als Euch lieb sein kann!

Mittelfristig sorgt Fluktuation im Team einige Probleme:

  1. In einer dauerhaften Stressumgebung verliert Ihr Mitarbeiter durch Kündigung (innerliche oder tatsächliche).
  2. Ihr verliert Eure Betriebskultur, wenn ständig neue Leute ins Team reinkommen.
  3. Ihr verliert die Loyalität Eurer Mitarbeiterinnen
  4. das Zugehörigkeitsgefühl zu Eurem Betrieb sinkt
  5. und das ist das Schlimmste, was passieren kann: Ihr könntet Eure Top-Kräfte verlieren

 

Am Ende löffelt Ihr die Suppe aus

In sein Haus lässt man nicht jeden X-Beliebigen. Vor allem keine Menschen, die im Haus Chaos hinterlassen (okay  – es sei denn ihr habt Kinder 😉). Ihr würdet niemanden in Euer Haus lassen, der sich mit den anderen Bewohnern nicht versteht. Genau so ist es auch in der Unternehmenswelt.

Lieber lassen wir einen Stuhl frei, als ihn falsch zu besetzen.

Denkt doch mal drüber nach, was das letzte Mal die Folge war, als ihr jemanden angestellt habt, der nicht reinpasste:

Wer hat den Stress?
Wer muss die Suppe auslöffeln?
Wer sitzt abends mit seinem Ehepartner zusammen und redet darüber?
Wer liegt nachts wach und denkt darüber nach?

Das bist Du!

Das bist immer Du als Unternehmer. Wir sind immer in der Position, dass wir den Kram ausbaden müssen. Eine Fehlanstellung beeinflusst also auch unsere eigene Lebensqualität.

Seid wählerisch in der Mitarbeitergewinnung, es ist euer Haus!

Latent Suchende – die versteckte Gefahr

Mitarbeitergewinnung heißt nicht nur „finden“ – es heißt auch „halten“

Wenn mich Unternehmer anrufen und über Mitarbeitergewinnung reden, geht es immer nur um die Frage „Wie und wo kriegen wir neue Leute?“. Das wird auch von den ganzen Werbeagenturen, Marketingberatern und Hyper-Duper-Social-Media-Gurus stets propagiert. Da geht es immer, um „den Funnel zu neuen Bewerbern“.

Ebenso wichtig ist aber die Frage: Wie behalten wir unsere Topkräfte?

Gerade die sind gefragt am Markt. Gerade die haben jede Möglichkeit ihren Arbeitsplatz zu wechseln.

Ihr braucht ja gar nicht mal Zeitung lesen: Ihr wisst selbst, dass der Fachkräftemangel real ist. Dass wir in vielen Branchen Schwierigkeiten haben. Dass die demografische Entwicklung gerade im Handwerk in den nächsten Jahren herbe Auswirkungen haben wird. Dass wir unglaublich viele Ausbildungsplätze haben, die nicht besetzt sind.

Der Wettstreit um Topkräfte ist in vollem Gange. Und er wird nicht einfacher.

Statistisch sind zwischen 15 und 35% der deutschen Arbeitnehmenden „latent Suchend“. Das sind Menschen, die in einem Betrieb fest angestellt, aber offen für neue Jobangebote sind.

Wenn Ihr 20 Mitarbeiter habt, sind statistisch 5 offen für einen Wechsel

Zählt es mal selbst durch für Eure Betriebsgröße. Auf ein oder zwei Personen könnten die meisten verzichten oder wären sogar ganz froh, wenn sie gingen. Aber vier, fünf oder gar sechs Mitarbeiter? Das ist eine Menge! Das ist der entscheidende Punkt. Wenn wir über Mitarbeitergewinnung reden, müssen wir immer auch über Mitarbeiterbindung reden.

Denken wir wieder an meinen Kunden, Metallbaubetrieb. Er hat also einen Auzibildenden angestellt, bei dem er schon jetzt weiß, dass es vermutlich schwierig wird.

Auf Betriebsebene passiert jetzt folgendes: Ausbildungsstar, der Azubi legt los und lernt seine Kollegen und Vorgesetzten kennen. Im Betrieb sind zwei, drei Mitarbeiter beauftragt sich um die neuen Azubis zu kümmern. Diese Mitarbeiter merken blitzschnell, dass der neue Azubi kein Überflieger ist. Die erste Enttäuschung ist da. Weitere Tage und Wochen später wird aus der ersten Enttäuschung (die meist noch keine großen, negativen Auswirkungen hat) dann Genervtheit. Logisch, wer will schon jungen Menschen etwas beibringen, die es dann doch nicht verstehen?

Diese schlechte Laune hat weitere Auswirkungen:

  • Auch die Kollegen, die gar nicht mit der Ausbildung betraut sind, bekommen die schlechte Stimmung derjenigen zu spüren.
  • Die Produktivität der Mitarbeiter, die sich um den zu schwachen Azubi kümmern müssen, lässt nach
  • (siehe Liste oben)

Diese Mitarbeiter sind potenziell genau die 5 von 20, die man als „latent Suchend“ einstufen kann. Die also offen für einen Jobwechsel sind. Und das nicht, weil sie keine jungen Menschen ausbilden wollen. Das wollen sie. Das nur, weil jemand den Falschen eingestellt hat.

Teamchemie first! Firster! Am Firstesten!!!

Ich habe mittlerweile viele Kunden (und rate es auch jedem, der fragt), die ihre bestehende Mannschaft in den Entscheidungsprozess mit einbeziehen. Ich mache das in meinen Firmen auch. Wenn wir einen neuen Mitarbeiter finden, dann stelle nicht ich ein. Ich treffe nur die Vorauswahl. Am Ende des Tages kann mein Team sagen: „Nein, den/die wollen wir nicht“.

Das ist enorm wichtig, denn Teamchemie ist im Handwerk und in kleineren Unternehmen das A und das O. Gerade im Handwerk arbeiten wir oftmals auf engem Raum zusammen, da muss die Teamchemie passen. Oder habt Ihr Lust Zeit mit Menschen zu verbringen, mit denen ihr so gar nicht klar kommt?

Die Teamchemie ist das Fundament der Mitarbeiterbindung und der Top-Leistung. Ohne sie geht nichts. Sie ist der Kit, der Kleber – nennt es wie ihr wollt. Sie ist der heilige Gral, der wichtiger ist, als neue Mitarbeiterinnen zu finden!

 

Traut Euch Keinen anzustellen!

Warum stellen wir überhaupt neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an? Dafür gibt es drei Hauptgründe:

  1. Ein Mitarbeiter kündigt
  2. Eine verdiente Mitarbeiterin geht in Rente
  3. Ihr seid im Wachstum und braucht neue Leute

Bei allen Gründen glauben wir automatisch, dass wir jetzt jemand neuen finden müssen. Doch stimmt das wirklich? Nein! Effektiv erliegen wir nur dem Irrglauben, dass der Status-Quo erhalten bleiben muss. Warum müsst Ihr 14 Mitarbeitende haben? Warum geht es nicht mit 13? Warum müsst Ihr von 15 auf 25 Leute wachsen? Und warum jetzt sofort?

Nehmen wir an: Euer Betrieb ist gerade im Wachstum. Ihr seid so richtig erfolgreich. Die Auftragsbücher sind voll, ihr wisst vor lauter Arbeit nicht, wie ihr sie bewältigen sollt.  Aber ihr merkt: „Boah, der Markt ist schwierig, aktuell finde ich keine Passende.“

Dann stoppt euer Wachstum! Ich weiß, das fällt vielen schwer. Ihr habt Euch Ziele gesetzt. Habt ein Wachstum von X vor Augen. Und offenkundig fühlt es sich auch ziemlich geil an, wenn man Erfolg hat und wächst.

Wenn Ihr das jedoch forciert. Wenn ihr für Eure Ziele und Wünsche in Kauf nehmt, dass ihr Menschen in euer Unternehmenshaus lasst, die da nicht reinpassen. Dann ist das bald kein gemütliches Haus mehr. Kein Haus, in dem man sich wohl fühlt. Dann ist der Spaß schnell vorbei und das gute Erfolgsgefühl weicht dem Gefühl von Stress, Ermüdung und Genervtheit.

Das sollte man bedenken, bevor man jemanden anstellt, der nicht zu 100% passt.

Wie wäre es stattdessen damit mal einen Gang zurückzuschalten? Auf den passenden Moment zu warten? Wirklich zu sagen: „Ich muss die Stelle nicht in 6 oder 8 Wochen besetzen, dann besetze ich sie halt erst in 6 oder in 12 Monaten. Dafür aber mit einem coolen Mitarbeiter, der uns Freude bringt.“

Wenn zu viel zu tun ist, kann man in solchen Phasen auch seine Preise anheben. Dadurch reguliert man den Arbeitsaufwand automatisch.

Mit dieser mutigen, kontraintuitiven Entscheidung sichert ihr Eure gute Stimmung im Betrieb. Die ist entscheidend für verschiedene Bereiche. Ob es die Arbeitsproduktivität ist, ob es der Krankheitsstand ist, Loyalität, Bindung der Mitarbeiter, all das hat immer den Ausgang in der grundsätzlichen Stimmung. Plus: Auch Euer Privatleben wird sich freuen.

Den Druck aus der Mitarbeitersuche nehmen

Das ist der Impuls, der Gedankenanstoß für heute. Wenn ihr gerade aktiv sucht, wenn ihr dringend eine Stelle besetzen müsst, dann überlegt, wie ihr den Druck da raus kriegt.

Überlegt, ob ihr nicht einfach den Auftrag absagt. Ob es nicht machbar ist, Kunden auch mal anzurufen und zu sagen: „Hey dauert etwas länger“. Überlegt ob ihr dieses Jahr wirklich ausbilden müsst.

Das habe ich auch zu meinem Metallbau Kunden gesagt. „Bevor du jetzt einen anstellst, wo du schon weißt, dass das schief geht, wieso bildest du dann dieses Jahr nicht mal einen weniger aus?“

Es gibt immer viele Argumente, warum das gerade alles nicht geht und ungünstig ist. Aber mal ehrlich: Es ist Eure Entscheidung! Wollt Ihr wirklich den Stress? Wollt Ihr wirklich die Risiken eingehen, die wir heute angesprochen haben?

Einen Schritt zurück treten, die Lage von Außen betrachten und mit freiem Geist reflektieren „ob das wirklich so muss“, das ist die beste Möglichkeit, um dem Fachkräftemangel ein Schnippchen zu schlagen!

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Ein neuer Blick auf die Mitarbeitergewinnung

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Wer mehr über unsere Philosophie in der Mitarbeitergewinnung erfahren möchte, der sollte „Irgendwen anstellen war gestern“ lesen. Daniel zeigt auf, was unpassende Mitarbeiter anrichten können und wie man die richtigen Mitarbeiter findet.

daniel

Über den Autor

Daniel Dirkes ist deutschlandweit anerkannter Handwerk-Experte. Er hat ein Buch, sowie über 70 Fachartikel veröffentlicht und Vorträge vor tausenden von Handwerksbetrieben gehalten.

Er ist Geschäftsführer der Auf Kurs GmbH und hat seit 2005 über 200 Handwerksbetrieben in Fragen der Strategie, Marketing und Mitarbeitergewinnung beraten. 

Zudem führt er mit der Concept Reitplatzbau GmbH & Co. KG selbst ein Bauunternehmen.